Ueber das Geldwesen in Kanada.
von Ulrich von Beckerath, 15.10.24.
Die Geldverfassung Kanadas unterscheidet
sich sehr von derjenigen aller Laender, auch
Englands; sie hat viel Aehnlichkeit mit der
Geldverfassung Schottlands im 18. Jahrhundert. Tatsaechlich
ist die Geldverfassung Kanadas der alten schottischen nachgebildet, und alle im
19. Jahrhundert aufgestellten Theorien ueber ein
richtig funktionierendes Geldwesen, z.B. die "Currency
Theorie", haben wenig Einfluss auf Kanada gehabt. Der Erfolg scheint aber
eher fuer das kanadische System zu sprechen, als fuer eines der im 19. Jahrhundert aufgestellten Geldsysteme
mit ihren Zentralnotenbanken, dem Verbot, andere als staatliche Zahlungsmittel
im Geldverkehr zu gebrauchen, den Deckungsvorschriften etc. Kanada ist ein Land
von hoechstens 10 Millionen Einwohnern. Die
Finanzkraft des Landes ist aber groesser als die
irgendeines anderen Landes von gleicher Groesse und
gleichen natuerlichen Hilfsquellen.
In Kanada gibt es dreierlei Arten von
Zahlungsmitteln: Noten der Privatbanken, Staats-Papiergeld und Goldmuenzen. Ueber die Noten der
Privatbanken herrscht in kanadischen Finanzkreisen eine Auffassung, die in
anderen Laendern als grob inflationistisch angesehen wuerde. Nach Ansicht der Kanadier schliesst
ihr System aber tatsaechlich jede Inflation aus und
ist weiter nichts als elastisch. Das Recht, Noten auszugeben, ist fuer die kanadischen Privatbanken eigentlich unbeschraenkt. Das Gesetz verlangt allerdings ein Maximum
in Hoehe des dreifachen Aktienkapitals. Solange das
Aktienkapital aber nicht in bar eingezahlt zu werden braucht, sondern auch
durch Sachwerte oder andere Sicherheiten gedeckt werden kann, ist natuerlich jede Notenbank in der Lage, ihr Aktienkapital
ohne Beanspruchung von Bargeld zu erhoehen und damit
auch ihr Noten-Maximum. Allerdings wird von dieser Moeglichkeit
schon seit langem so gut wie kein Gebrauch mehr gemacht.
Die Noten werden nicht etwa auf Grund des
Aktienkapitals ausgegeben, sondern ausschliesslich
auf Grund akzeptierter Warenwechsel. Das Aktienkapital dient nur als Garantie
und koennte eigentlich ebenso gut fehlen. Nach
kanadischer Auffassung ist eine Privatbanknote volkswirtschaftlich weiter
nichts als ein Wechsel, der auf einen runden Geldbetrag lautet und
unverzinslich, dafuer aber gegen Zahlungsunfaehigkeit
des ersten Ausstellers versichert ist.
Wer einen Wechsel gegen Banknoten
umtauscht, tut nach der in Kanada herrschenden Auffassung etwas ganz Analoges
wie jemand, der grosses fuer
den Verkehr ungeeignetes Geld in kleines umwechselt. Diese Auffassung der
Banknote als eines fuer den Verkehr mit dem Publikum
zurechtgemachten Wechsels kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass die Noten
keinen Zwangskurs haben. Noch kanadischer Auffassung ist es Sache der Banken dafuer zu sorgen, dass die Noten nicht geringer bewertet
werden als gesetzliche Zahlungsmittel. Frueher trugen
die Noten mancher kanadischer, uebrigens auch
amerikanischer und englischer Wechseldiskont-Banken die so genannte
Optionsklausel, welche besagte, dass die Bank die Note nicht in bar einzuloesen, sondern sie nur zur Verrechnung oder bei der Rueckzahlung von Schulden anzunehmen brauchte.
Die Paritaet der
Noten mit dem Goldgeld wird durch folgenden Umstand gesichert. Die Banken haben
fortwaehrend fuer die faellig gewordenen Wechsel grosse
Forderungen an den Handel und die Industrie des Landes. Die Zahlung an die
Banken kann entweder in Noten oder in gesetzlichen Zahlungsmitteln geleistet
werden. Entstaende nun an irgend einem Orte ein
Disagio der Noten gegenueber dem Landesgeld, so waere es fuer jeden, der
Zahlungen an die Bank zu leisten hat, vorteilhaft, an diesen Orten Noten zum
geringeren Kurse als 100 aufzukaufen und mit 100 % an die Bank weiterzugeben.
Dadurch wuerde das Disagio der Noten, wenn es jemals
irgendwo entstehen sollte, tatsaechlich immer nur
ganz kurze Zeit andauern, vielleicht sogar nur ein paar Stunden, denn jeder,
der an die Bank Zahlungen zu leisten hat, wuerde natuerlich gern die Gelegenheit benutzen, um einen kleinen
Kursgewinn zu machen. Solange die Noten auf pari stehen, und das ist tatsaechlich fast immer der Fall, bekommen die Banken bei Faelligkeit der von ihnen diskontierten Wechsel nicht nur
ihre eigenen Noten zurueck, sondern auch Landesgeld.
Dadurch sind die Banken in die Lage versetzt, ihrerseits mit Landesgeld zu
intervenieren, wenn einmal irgendwo ein Disagio der Noten bemerkbar werden
sollte. Alles das hat sehr viel Aehnlichkeit mit den Verhaeltnissen in Deutschland vor dem Jahre 1875, als noch
Privatnoten zirkulieren durften. Eine Inflation ist bei diesem System nach
Ansicht der Kanadier, wie schon bemerkt, ganz unmoeglich.
Jedenfalls wuerde sie sich bemerkbar machen durch
eine Kurssenkung der Banknoten gegenueber dem Golde,
die im normalen Verkehr nicht zu beheben ist und wuerde
das groesste Aufsehen erregen. Eine Steigerung der
Warenpreise wuerde nicht eintreten, wie ja auch in
Deutschland durch die Inflation die Goldpreise der Waren nur ganz ausnahmsweise
erhoeht wurden. Man wuerde
auch in Deutschland von einer Entwertung der Reichsbanknoten gesprochen haben
und nicht von einer Erhoehung der Preise, wenn es
erlaubt gewesen waere, die Preise im Kleinhandel in
Gold zu berechnen. Die allgemeine Rechnung in Gold gilt also in Kanada ebenso
als Sicherung der Waehrung, wie sie in Europa als
eine Gefahr fuer die Waehrung
gilt. Der Umstand, dass der kanadische Dollar meistens etwas ueber dem New-Yorker steht, scheint fuer
die Richtigkeit der kanadischen Ansicht zu sprechen. Man koennte
nun die Frage aufwerfen, ob das kanadische Geldsystem nicht doch die Gefahr in
sich birgt, dass der Verkehr eines Tages mit Banknoten, wenn auch mit
entwerteten, ueberflutet wird, und ob es nicht
richtig waere, der Emission eine engere Grenze zu
setzen, als es das kanadische Gesetz tut. Die kanadische Auffassung darueber ist folgende:
Solange nicht etwa Betrug vorliegt,
entspricht jedem akzeptierten Warenwechsel eine verkaufte Warenmenge. Die
Notenemission ist also ganz scharf begrenzt durch die Moeglichkeit
der kanadischen Wirtschaft, Waren zu produzieren und an zuverlaessige
Kaeufer mit dem handelsueblichen
Ziel zu verkaufen. Nach Ansicht der kanadischen Finanzfachleute ist diese durch
die Produktion und den Absatz gezogene Grenze auch die richtige Grenze fuer die Notenausgabe. Was darueber
ist, ist Inflation, was darunter ist - Deflation. Nach kanadischer Auffassung koennen und sollen die Banken zwischen beiden genau die
richtige Mitte halten. Die Verschiedenheit der europaeischen
und der kanadischen Auffassung erhellt aus folgendem Beispiel: Ein Landwirt
bestellt bei einer Maschinenfabrik eine Lokomobile. Der Fabrikant bezahlt mit
dem Kaufpreis seine Arbeiter, diese kaufen sich Brot beim Baecker,
diese Mehl von der Muehle und die Muehle
erhaelt ihr Korn von dem Landwirt, der die Lokomobile
kaufte. Nach europaeischer Auffassung kann dieser
wirtschaftliche Kreisprozess, auch wenn alle Waren verkaufsfertig vorhanden
sind, nicht stattfinden, wenn nicht entweder der Landwirt ueber
Bargeld verfuegt oder irgendjemand anders mit Bargeld
aus Sparkapital aushilft. Nach kanadischer Auffassung genuegt
es vollkommen. wenn das Korn etc. und die Lokomobile effektiv vorhanden sind.
Der Fabrikant zieht dann einen Wechsel auf den Landwirt, dieser akzeptiert ihn,
und die Bank diskontiert ihn - nach europaeischer
Auffassung einfach durch die Notenpresse. Nun bezahlt der Fabrikant seine
Arbeiter mit den Noten, diese ihren Baecker, der Baecker die Muehle, die Muehle den Landwirt, und der Landwirt loest
damit seinen Wechsel ein, wenn ihm die Bank am Faelligkeitstag
praesentiert. Damit sind die Banknoten aus dem
Verkehr verschwunden und die Gefahr einer Inflation ist beseitigt. Sparkapital
ist fuer diesen einfachen Vorgang nicht beansprucht.
Nach kanadischer Auffassung ist es Aufgabe des Sparkapitals, sich in
Produktionsmitteln, Haeuser usw. zu verwandeln, nicht
aber den Kleinhandel mit Zahlungsmitteln zu versehen. In Europa bestreitet man
zwar dem Sparkapital die erstere Aufgabe nicht, weist ihm aber ausserdem noch die zweite zu, eine Auffassung, die in
voller Schaerfe allerdings erst seit Beendigung der
Inflation und als Reaktion dagegen auftrat, aber schon vor 100 Jahren in
England von der "Currency-Theorie" vertreten
wurde.
Das
heute in Kanada uebliche System wurde von der "Banking-Theorie" verteidigt. Die Folge dieser
Verschiedenheit in den Ansichten ist es allerdings z.Zt., dass in Mitteleuropa
eine Fabrik nach der anderen aus Mangel an Zahlungsmitteln stillgelegt wird, waehrend in Kanada zwar hie und da Stilllegungen vorkommen,
aber niemals aus Mangel an Zahlungsmitteln, im uebrigen
aber fast jedes Jahr neue Fabriken angelegt werden und die bestehenden ihre
Einrichtungen verbessern. Der sehr hohe Stand der kanadischen Landwirtschaft
ist weltbekannt (1923 rund 500 Mill. Bushel Weizen).
Keine kanadische Bank wird aber Verbesserungen der Produktion durch
Notenemission finanzieren, sondern ausschliesslich
aus Depositen. Das alles ist altenglische Tradition aus der Zeit bevor die
Noten der Bank von England gesetzliches Zahlungsmittel wurden, und als noch
Adam Smith massgebend war. Wie im Jahre 1810 Londoner
Praktiker ueber die Sache dachten, ergibt sich aus
der Vernehmung des Gouverneurs der Bank von England und seiner Direktoren vor
dem Parlamentsausschuss zur Untersuchung des Goldagios.
Der Bericht des Ausschusses ist spaeter unter dem
Namen "Bullion-Report von 1810" (Bullion heisst im Englischen
Barren) sehr beruehmt geworden und steht in England
bei vielen heute noch in grossem Ansehen. Der Ruhm
ist vom heutigen Standpunkt aus ganz unverdient, denn dass von den fast 25
Millionen betragenden Noten ueber 5 Millionen fuer Schatzwechsel ausgegeben waren, erwaehnt
der Bericht mit keinem Wort. Auf den Gedanken, dass dies die eigentliche
Ursache des ca. 10% betragenden Goldagios gewesen
sein koennte, sind die Mitglieder des Ausschusses
anscheinend nicht gekommen, obwohl der beruehmte
Ricardo dabei war. - Der Gouverneur Pearse erklaerte:
"Man
muss sich klar machen, wie Banknoten ausgegeben werden. Sie dienen nur zum
Diskontieren von Warenwechseln, und dadurch ist ihre Menge so begrenzt, dass
sie weder den Goldpreis noch den Devisenkurs beeinflussen koennen.
Ich persoenlich bin daher der Ansicht, dass solange
diese Grundlage der Emission nicht verlassen wird, man bei der Emission von
Banknoten weder den Goldpreis noch die Devisenkurse zu beruecksichtigen
braucht."
Aus einer Andeutung im 4. Kapitel des
"Bullion Report's"
scheint hervorzugehen, dass sich P. auch ueber die
ihm aufgezwungene Diskontierung von Schatzwechseln aeusserte
und deren Einfluss auf die Valuta - darueber geht der
Bericht aber hinweg mit der Begruendung, dass er die
Privatangelegenheiten der Bank nicht preisgeben wolle. Ein anderer Direktor der
Bank von England, Whitmore, erklaerte:
"Ich bin genau der gleichen Meinung wie Pearse
und halte es fuer ganz unnoetig,
an den Tagen, an welchen wir diskontieren, den Goldpreis oder die Devisenkurse
zu Rate zu ziehen." Hormon, ein anderer Direktor der Bank erklaerte: "Um zugeben zu koennen,
dass durch unsere Noten die Devisenkurse beeinflusst werden koennten,
muesste ich in meine Ansicht ueber
Bankwesen grundlegend aendern."
Bagehot in
seinem zwar oft zitierten, aber vielleicht etwas ueberschaetzten
Werk "Lombardstreet" sagt allerdings, dass
diese Antworten durch ihren Unsinn fast klassisch geworden seien (.... have become almost
classical by their nonsense) und erlaubt sich
sogar hinzuzufuegen, dass nur wenig Menschen in so
wenig Worten so viel Irrtuemer ausgesprochen haetten. Lansburgh in seiner
"Notenbank" schliesst sich diesem Urteil
an. Der "Bullion-report", dem die Aeusserungen entnommen sind, tadelt die Worte der
Direktoren gleichfalls, wenn auch in gemaessigteren Ausdruecken. Wenn die alten Praktiker Pearse,
Whitmore und Hormon aber heute noch lebten und saehen, dass trotz der ueberaus
scharfen Verurteilung ihrer Ansichten durch die "Currency-Schule"
die kanadischen Bankiers unveraendert daran
festhalten und, wie die geringe Arbeitslosigkeit in Kanada zeigt, die groessten Erfolge erzielen, waehrend
Europa auch in guten Zeiten selten mehr als 90% seiner Arbeiter voll beschaeftigen kann und 10% bestaendig
arbeitslos herumlaufen hat, so wuerden sie ihre
Ansichten schwerlich nachtraeglich aendern.
Die Ausweise der kanadischen Notenbanken
zeigen die Elastizitaet im Geldumlauf.
Privat-Banknoten in Millionen Dollars am
Ende jeden Monats :
Jahr Jan. Feb. Mar. Apr Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Kapital
der Banken am Ende des Jahres
1911 77 80 82 84 82 89 89 91 97 106 102 102 108
1912 88 89 96 95 94 102 96 102 104 111 116 110 115
1913 95 97 102 98 103 106 99 106 111 118 119 109 118
1914 97 98 97 93 98 99 95 115 120 123 115 106 114
Im
November, wenn die meisten Rechnungen des Landes bezahlt werden, ist der
Notenumlauf meistens am groessten. Er sinkt dann
rasch bis zum Januar, wo ebenso wie in fast allen Laendern
der noerdlichen Erdhaelfte
auch in Kanada "stille Zeit" ist. Wenn die Schifffahrt auf den grossen Seen wieder eroeffnet
wird, steigt der Bedarf an Zahlungsmitteln, um in der Mitte des Sommers wieder
abzunehmen. Dann aber beginnt regelmaessig eine
rasche Steigerung. Zuerst diskontieren die Viehhaendler
ihre Wechsel, dann folgen die Kaesefabriken und schliesslich die Verkaeufer von
Getreide.
Eine Besonderheit des kanadischen
Banksystems besteht darin, dass die Banken keine besondere Reserve zu halten
brauchen.
Ein Gefahrenpunkt des kanadischen
Geldsystems und ueberhaupt des ganzen "Banking-Principle" darf allerdings nicht uebersehen werden. Die Banknoten koennen
auf ihre urspruengliche Funktion als
Verrechnungszeichen nur darin beschraenkt bleiben,
wenn die Fristen zwischen der Diskontierung eines Wechsels und seiner Einloesung durch Noten oder Landesgeld ganz kurz sind.
Werden die Fristen zu lang bemessen oder werden die Wechsel prolongiert, dann
wirken die Noten in der Volkswirtschaft als Geld und nicht als
Verrechnungszeichen, es sei denn, dass die Bank die Prolongation mit ihr anvertrauten
Depositen vornimmt. Vor kurzem hatten zwei kanadische Banken das nicht genuegend beachtet, ihre Noten erhielten prompt ein
Disagio, das durch Intervention nicht behoben werden konnte und ganz kurz
darauf war das Misstrauen gegen die Banken derartig gestiegen, dass sie ihre
Schalter schliessen mussten. Haetten
die Noten Zwangskurs gehabt, so waeren die Preise
gestiegen anstatt dass die Noten entwertet wurden.
Ein Kenner wie Professor Mises machte auf diesen Gefahrenpunkt des "Banking-Principle" schon 1912 in seiner "Theorie
des Geldes und der Umlaufsmittel" aufmerksam und aeusserte
sogar, dass wegen dieser Gefahr das "Currency-Principle"
vorzuziehen sei. In Kanada werde man diese Ansicht allzu pessimistisch finden.
Jedenfalls hat die Vereinigung der kanadischen Bankiers in den letzten Wochen Vorschlaege gemacht, um durch eine verbesserte
Staatsaufsicht die Vorteile des "Banking-Principle"
zu wahren und seine Nachteile zu vermeiden.
Die Ansichten der kanadischen Volkswirte ueber das Staatspapiergeld weichen von den in Europa ueblichen sehr ab
und sind offenbar durch den grossen Theoretiker der
privaten Zahlungsmittel, Sir James Steuart, dessen
Hauptwerk 1767 erschien, beeinflusst. Nach der Ansicht Steuart's
hat der Staat die Pflicht, nicht mehr und nicht weniger Papiergeld auszugeben,
als Landesgeld in seinen Kassen untaetig
eingeschlossen ist. Die Menge des umlaufenden Geldes sollte nach Steuart durch die Besteuerung moeglichst
wenig beeinflusst werden. Wenn der Staat neue Steuern erhebt, ohne gleichzeitig
der Volkswirtschaft die noetigen Zahlungsmittel zu
liefern, um die Steuern zu entrichten, so treibt er nach Steuert Deflation und schaedigt die Volkswirtschaft um so schwerer, je hoeher die auferlegten Steuern sind. Faehrt
der Staat auch dann noch fort, Papiergeld auszugeben, wenn die Steuern schon
anfangen einzulaufen, dann - aber auch erst dann - beginnt noch Steuart die Inflation mit staatlichem Papiergeld, ueber die Zeit, die zwischen der ersten Ausgabe von zusaetzlichem Papiergeld und dem Beginn der effektiven
Steuererhebung hoechstens vergehen darf, laesst sich natuerlich eine
bestimmte Angabe nicht machen. Aber schon die Vorgaenger
Steuart's und vor allem auch die Londoner Bankiers
zur Zeit, als England zum ersten Male Schatzwechsel ausgab, waren der Ansicht,
dass zum wenigsten innerhalb eines Jahres das ausgegebene Papiergeld wieder in
die Staatskassen zurueckgekehrt sein muesse. In Kanada mit seinem hoch entwickelten bargeldlosen
Zahlungsverkehr ist man der Ansicht, dass in den Staatskassen hoechstens 25 1/2 Millionen Dollars untaetig
liegen werden. Von den "Dominion-Notes"
braucht daher ein Betrag von 25 1/2 Millionen Dollars nicht durch Gold gedeckt
zu sein. Alles was darueber hinausgeht, muss aber zu
100% durch Geld gedeckt sein. Dos Staatspapiergeld zirkuliert im Publikum tatsaechlich nur in Stuecken von
2 Dollars und darunter. Die grossen Stuecke, von denen die groessten ueber 5000 Dollars lauten, vermitteln nur den Verkehr mit
den Grossbanken und den Banken. (Nach Foster, "Banking"
und Zeitungsausschnitten.)
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Bth.
Anhang
Gespraech mit dem Pariser Direktor
der Royal Bank of Canada
Von Dr. H. Rittershausen, 27.II.35.
1. Die Zentralbank ("Bank") von Canada ist durchgesetzt worden von den Farmern des Westens,
die mehr Kredit haben wollten (sind faule Schuldner).
2. Das bish. System hatte
sich auch zuletzt bewaehrt. Krise geringer als in
USA, keine Bank gestuerzt. Zur Zeit
noch 10 Notenbanken (in Venezuela auch noch 4!). Als Gegenposten der Noten kaum
Wechsel (wenig ueblich), sondern offene Vorschuesse. Voll bewaehrt
(cf. unsern Entwurf!)
3. Der Praes. d. neuen
Zentralbank ist 35 Jahre und frueherer Vice-Generaldirektor der Royal Bank. War Wissenschaftler,
kam als Nachf. eines verstorbenen Archivars in die Bank, tendierte fuers Praktische und bewies groesste
Faehigkeiten, stieg, in die Filialen versetzt, in
wenigen Monaten u. Jahren von Stelle zu Stelle. Empfohlen von einem Univ.
Prof., an den man sich wegen Ersatz des Archivars gewandt hatte.
4. Der neue Praes. d.
Zentralbank ist sehr energisch und wird die kreditsuchenden
Landwirte schwer enttaeuschen. Vorteil einer so gut
erhaltenen Bank-Freiheits-Praxis! In Europa nur abgesaegte
Minister!
5. Durch die Zentralbank tritt eine Verteuerung des Kredits
ein (Diskont kostet Zinsen, Emission nicht). Die Banken reagieren in C., indem sie woechentlich 30-50
Filialen und Hilfsstellen schliessen, durch gegenseit. Uebereinkuenfte. Ca.
1000 insgesamt. Folge also Verminderung der Kreditkapazitaeten!
Und wohl auch Zinserhoehung! Mit ihren
Folgen!
gez. Rittershausen, 27.II.35.
M.
Groening (Franzose) Directeur
de la Royal Bank of Canada (France), 3, rue Scribe, Paris 9 me.
Dr. Egbert Munzer an Dr.
H. Rittershausen, 28.Juli 1947:
... Der freie Kurs hat auch hier in Canada nicht wirklich gegolten; das war eine der
Fehlannahmen von Beckeraths. Die 5 oder 6
emittierenden Banken waren mindestens durch gentlemen's
agreement gebunden, z.B. in der Zinsfrage, und
wirkliche Konkurrenz herrschte nicht. Das war denn auch die moralische
Rechtfertigung des Schrittes von 1935, naemlich eine
Zentralbank einzurichten. Vorahnungen eines internationalen Krachs moegen auch mitgespielt hoben. Jedenfalls hat sich das
derzeitige kanadische System waehrend des Krieges
nicht uebel be- waehrt.
Freilich haben wir die Steuerschraube rechtzeitig angezogen, gut rationiert,
und Anleihen schnell und billig untergebracht, sodass die Inflation nur maessig war und ist. Die Amerikaner waren weniger
geschickt.....
From
Encycl. Britannica, 1958, vol.3, p.45:
...There
were 28 Canadian chartered banks in 1867 and 20 more were formed between 1867
and 1881; but the number was reduced by amalgamations to 10 in 1931. Branch
banking developed early and by 1931 there were more than 3.000 branches. The
chartered banks issued their own notes, which formed the main currency of the
country until displaced by those of the Bank of Canada after 1934.... (The
article brings more details, but it is copyrighted.)
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First published in: Ulrich
von Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte
Briefe, Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 428-467 (Mikrofiche), Berrima, Australia, 1983. Pages 93-66